Trendmagazin Nr.2
Mobilität im Tourismus© Andreas Wiese, Flughafen Düsseldorf
Trendmagazin Nr.2
Mobilität im Tourismus© Andreas Wiese, Flughafen Düsseldorf
Mobilität ist einer der weltumspannenden Megatrends unserer Zeit, der weit in Gesellschaft und Wirtschaft hineinwirkt. Viele Studien beschäftigen sich damit, wie sich dieser Trend entwickelt und auf welche Ausprägungen, Nutzungsformen und Verfügbarkeiten wir uns – auch im Tourismus – einstellen sollten. Nicht ohne Grund: Mobilität ist eine fundamentale Voraussetzung für ein selbstbestimmtes, in immer stärkerem Maße von Beweglichkeit und Unabhängigkeit geprägtem Leben und für ein erfolgreiches Wirtschaften.
In der aktuellen Ausgabe des Trendmagazins schauen wir uns genauer an, wie der Megatrend Mobilität auch Einfluss auf die Tourismusbranche nimmt und welche Best Practice-Beispiele es aus dem Reiseland NRW gibt. Viele touristische Akteure haben bereits gute Projekte angestoßen, die sowohl die Mobilität im Alltag als auch im Kontext des Reisens betreffen.

Geschäftsführerin Tourismus NRW, Dr. Heike Döll-König
Der Megatrend Mobilität
Mobilität erfasst die Gesellschaft, ihr Handeln und Wirtschaften auf all ihren Ebenen. Mobil zu sein ist ein fundamentales menschliches Bedürfnis: Um den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Anschluss nicht zu verpassen, soziale Teilhabe und die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung sicherzustellen, ist Mobilität eine Grundvoraussetzung. Mobilitätsansprüche verändern sich in Bezug auf die Arbeitswelt und auf das Reise- und Freizeitverhalten; sie sind geprägt von dem Wunsch nach Unabhängigkeit. Dieser Wunsch nach Unabhängigkeit und die damit einhergehende Individualisierung kennzeichnen den Megatrend Mobilität und treiben ihn voran. Daraus ergibt sich, dass die Lebensqualität des Einzelnen eng damit verknüpft ist, wie mobil er sein kann.
Der Beginn des multimodalen Zeitalters ist längst eingeläutet: Um eine gewisse Strecke zurückzulegen, stehen heute vielfältige Optionen zur Auswahl und können miteinander kombiniert werden. Was bei der Wahl an Bedeutung gewinnt, ist der Wunsch, sich über das „Höher-Schneller-Weiter“ hinaus nachhaltig und gleichzeitig komfortabel fortzubewegen. Auch die Kosten und Effizienz sind dabei wichtig.
Der Megatrend Mobilität hat Einfluss auf viele Branchen, von der Automobilindustrie über die IT-Branche bis zum Tourismus. Die dabei in Gang gesetzten Entwicklungen laufen jedoch keineswegs parallel und ohne Berührungspunkte ab, effektive Schnittstellen ergeben sich geradezu zwangsläufig: Carsharing-Systeme bedürfen zuverlässiger Apps, effiziente Fahrradverleihsysteme genauso. Mobilität und Digitalisierung gehen Hand in Hand.
Bewegen sich Fahrzeuge zukünftig autonom, bedeutet dies mehr Zeit für den Einzelnen. Hier öffnet sich das Feld für Akteure aus Werbung und Marketing. Denn: Wo Menschen nicht selbsttätig von A nach B gelangen, heftet sich der Blick auf das Smartphone und damit auf potenzielle Werbe- und Verkaufsflächen.
Elektrisch betriebene Fahrzeuge sind Hoffnungsträger einer Verkehrswende hin zum umweltfreundlichen Fahren. Außerdem können sie beeinflussen, welche Orte zukünftig stärker angefahren werden: Je nach Verteilung der Lademöglichkeiten verändern sich die Bewegungsströme von Elektromobilisten. Das gilt nicht nur für Straßen, auch für Radwege.
Aus Radwegen werden Radschnellwege mit entsprechenden Serviceleistungen, zu denen auch Ladestationen für elektrische Fahrräder gehören. In NRW sind bereits zwei große Radschnellweg-Projekte, der RS1 und RS2, angestoßen worden. Auch der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) sucht seine Rolle in der Mobilität der Zukunft.
Geht es um Tourismus, geht es immer auch um Mobilität in ihrer basalsten Form: Die Ortsveränderung macht das Verlassen des gewohnten Wohnumfeldes erforderlich. Dieser Vorgang des Verlassens dauert mindestens von Standort A bis zum Standort B an. Der vielzitierte Satz „Der Weg ist das Ziel“ lässt uns erahnen, dass sich der Megatrend Mobilität zwischen A und B abspielt: Die Gestaltung des Wegs ist das Ziel allen Strebens nach innovativen Mobilitätsformen.
Mobilitätsformen entstehen
In einer zunehmend mobilen Welt verändern sich die Ansprüche, die Menschen an Verkehrsträger stellen. Die Verkehrsträger werden mithilfe moderner digitaler Technologien geteilt oder zum autonomen Fahren befähigt. Städte- und verkehrsplanerische Projekte greifen diese Entwicklungen auf oder stoßen sie an. Es folgt ein Überblick vom Carsharing über autonomes und elektrisches Fahren hin zum Fahrrad-Boom und der Rolle des ÖPNV im Mobilitätsmix.
Carsharing
Noch immer gilt das Auto als besonders attraktives Verkehrsmittel. Es wird anderen Verkehrsmitteln gegenüber bevorzugt, denn es verspricht größtmögliche Flexibilität. Dass es sich dabei nicht zwangsläufig um das eigene Auto handeln muss, zeigen aktuelle Studien zur Wirkung auf Verkehr- und Mobilitätsverhalten verschiedener Carsharing-Systeme. Zu teilen statt zu besitzen ist vor allem für Stadtbewohner eine attraktives Modell. Motive hierfür sind Pragmatik und Kosteneinsparung, sie fallen bei der Entscheidung für das Teilen eines eigenen oder von einem Anbieter zur Verfügung gestellten Autos besonders ins Gewicht. Aber auch Werte wie die grundsätzliche Bereitschaft zu teilen und das Vertrauen in gemeinsamen Besitz oder zumindest in gemeinsamen Nutzen gehen damit einher.
Weniger Kosten für den Verbraucher durch Carsharing
Die Londoner Neukunden stationsbasierter Carsharing-Systeme wie Flinkster oder Cambio schaffen eigene Autos in 25% der Fälle ab, bei sogenannten free-floating Systemen wie DriveNow oder Car2Go sind es immerhin 22%. Rein rechnerisch ersetzt ein PKW, der einem Carsharing-System angehört, heute potenziell 3,6 private PKW. Die Zeitschrift Finanztest hat darüber hinaus ermittelt, wie viel Geld der Verbraucher durch die Nutzung von Carsharing sparen kann:
In der Modellrechnung von Finanztest zahlt der Autobesitzer eines Kleinwagens für 5.000 Jahreskilometer inklusive aller Kosten 206 Euro pro Monat, der Carsharing-Nutzer für die gleiche Strecke mit dem gleichen Auto hingegen nur 138 Euro monatlich.
Free-floating und stationsbasiertes Carsharing
- Wenn ein Auto auf allen öffentlichen Parkplätzen im ausgewiesenen Bereich abgestellt und dementsprechend auch von jedem Parkplatz aus benutzt werden kann, spricht man von einem free-floating Carsharing-System. Car2Go und DriveNow sind bekannte free-floating Anbieter.
- Wenn ein Auto an einem konkreten, dafür vorgesehenen Parkplatz abgeholt und wieder abgestellt werden muss, spricht man von stationsbasiertem Carsharing-System. Flinkster und Cambio sind bekannte Anbieter von stationsbasiertem Carsharing.
Weniger Autos – mehr Aufenthaltsqualität?
Europäische Metropolen versprechen sich von einem Weniger an Autos ein Mehr an Lebens- und Aufenthaltsqualität. Autofahrverbote und City-Mauts wurden bereits in London und teilweise auch in Madrid umgesetzt. Derzeit erwägt die Stadt München ein flächendeckendes Fahrverbot für Dieselautos und Stuttgart plant für die Umsetzung der Autofreien Innenstadt einen entsprechenden Etat im Haushalt 2018/2019 ein.
NRW setzt auf’s Fahrrad
Lösungsansätze aus NRW sehen im Fahrradverkehr ein großes Potenzial für eine neue Mobilität, die nicht nur umweltschonend, sondern auch entspannt und alltagstauglich ist. Radschnellwege rücken zunehmend in den Fokus, sie stehen für eine moderne Mobilitätskultur, die dem Streben nach einem schonendem Umgang mit Ressourcen und Gesundheit gerecht wird. In NRW sind dazu bereits zwei große Projekte angestoßen worden: Der Radschnellweg RS1 im Ruhrgebiet und der Radschnellweg RS2 im westlichen Münsterland. In einem späteren Kapitel blicken wir genauer auf die Rolle des Fahrrads als Bestandteil innovativer Mobilitätsketten.
Zurück zum PKW: Um die Vorteile des Carsharings genießen zu können, müssen Autos verfügbar sein. Und bei der Auslastung besteht Verbesserungsbedarf, räumt Thomas Beermann, CEO der car2go Europe GmbH in seinen sechs Thesen zur Zukunft des Carsharings ein. Hier soll das autonome Fahren Abhilfe schaffen: „Weil die Auslastung pro Fahrzeug erhöht wird, werden mit autonomen Carsharing-Fahrzeugen im Vergleich zu heute nur noch die Hälfte der Flottengröße notwendig sein, um den gleichen Bedarf zu decken“.
Kooperationsansätze zwischen Verkehrs- und Leistungsträgern
Key Account Manager bei der Düsseldorfer Rheinbahn Christian Stix, erläutert, dass es bei der Verfügbarkeit zu Interessenskonflikten zwischen verschiedenen Verkehrsträgern kommen kann: Sie stehen im Wettbewerb zueinander. Ein umfassendes und individualisierbares Mobilitätsmanagement erfordert also strategische Zusammenarbeit, um Verfügbarkeit in Zukunft erfolgreich gewährleisten zu können.
Stix regt daher an, die unterschiedlichen Mobilitätsformen und -anbieter stets als Kooperationspartner, nicht als Wettbewerber zu sehen. ÖPNV-Netze können sehr gut ausgebaut sein, schnell oder engmaschig sein oder eine enge Taktung aufweisen. Doch die Straßenbahn oder der Bus werden nach dem Großeinkauf eher nicht genau vor dem eigenen Hauseingang Halt machen. Um dieses Problem zu lösen, hat z.B. die Rheinbahn spezielle Kooperationspakete geschnürt. Im Kooperationspaket zwischen der Rheinbahn und einem Carsharing-Anbieter konnten sich Kunden des Düsseldorfer Unternehmens je nach Art ihres Abonnements kostenfrei beim Anbieter registrieren. Zusätzlich erhielten sie ein monatliches Guthaben von 15 Fahrminuten.
Über den ÖPNV hinaus sind die Anbieter von Carsharing verschiedene Kooperationen mit Leistungsanbietern aus dem Tourismus eingegangen: Die geschnürten Pakete beinhalten beispielsweise direkt in der App des Carsharing-Anbieters buchbare Ausflugspakete, je nach Stadt zu Thermen oder Outlet Centern mit inkludierten Leistungen des Partners zu besonders günstigen Tarifen. Mit diesem Ansatz können Lücken in der Mobilitätskette geschlossen und Probleme bei der Verfügbarkeit behoben werden.
In der Stadt ist die Verfügbarkeit von PKW der etablierten Carsharing-Anbieter einfacher zu gewährleisten als auf dem Land. Kommerzielle Carsharing-Systeme werden auf dem Land sehr schlecht angenommen und von den dortigen potenziellen Nutzern aufgrund der unzureichenden Verfügbarkeit als nicht attraktiv empfunden, wie eine Studie der International School of Management zeigt. Im ländlichen Raum sind Fahrgemeinschaften tendenziell anderer Natur: Statt Carsharing mit kommerziellen Anbietern werden Privat-PKW oder Fahrten in den etablierten sozialen Netzwerken wie beispielsweise einer Vereinsgemeinschaft oder im Bekanntenkreis organisiert.
Autonomes Fahren
Selbstfahrende Autos sind nicht nur unter Automobilherstellern in aller Munde. Vor allem Trendforscher, Wirtschaftsförderer, Verkehrsunternehmen, Stadtentwickler und Versicherungen befassen sich gleichermaßen mit immer komplexer werdenden Fahrerassistenz-Systemen. Vom reinen Assistieren geht die Entwicklung schon heute über die Teil- und Hochautomatisierung hin zur Vollautomatisierung. Mercedes-Benz hat seine S-Klasse bereits testweise autonom auf einer Stadt- und Überlandstrecke von Mannheim nach Pforzheim fahren lassen und der Audi A6 parkt fahrerlos ein.
Autonomes Fahren – unterwegs in NRW
Der in Wuppertal ansässige Deutschlandsitz des Autozulieferers Delphi Automotive führte im vergangenen Jahr Testfahrten autonomer Autos auf einem 17 Kilometer langen Abschnitt der Landesstraße 418 in Wuppertal durch und freut sich, dass die Testumgebung nun geradezu in der Nachbarschaft liegt: Bislang musste Delphi Testfahrten in den USA durchführen. NRW macht sich bereit für den Markt der Zukunft, eine Vorreiterrolle nimmt nicht zuletzt wegen der Dichte an Automobilzulieferern das Bergische Städtedreieck ein.
Autonome Busse im ÖPNV
Was den ÖPNV betrifft, fahren Busse und Bahnen in Deutschland schon heute teilweise autonom: In Nürnberg sind bereits seit 2008 derartige U-Bahnen auf den Gleisen. Doch „im Vergleich zur ÖPNV-Branche steckt die Automobilindustrie weitaus mehr Ressourcen in die Weiterentwicklung vollautomatisierter Fahrzeuge“, so Geschäftsführer der Stadtwerke Oberhausen, Werner Overkamp. Es ist also mehr eine Frage des Geldes denn der Zeit, wie schnell sich der Trend hin zum vollautomatisierten Fahren ausweiten wird.
Das Auto von morgen
Weil es beim Autofahren um „Zähmung“, nicht aber um Entspannung und ein sicheres von A-nach-B-Kommen gehe, wird das autonome Fahren nicht vollständig von den Verbrauchern akzeptiert werden, vermutet Matthias Horx, Gründer des Zukunftsinstituts. Er spricht allerdings vor allem über Männer, wenn er sagt, dass das Auto einem wilden Tier gleichzusetzen sei: Man jage es, um es schließlich zu beherrschen. Ein vollständig autonomes Fahrzeug passt nicht in eine Welt, in der Autos und das Fahren von Autos kulturell und emotional aufgeladen sowie mit Wünschen besetzt sind.
Auch das Marktforschungsinstitut Spiegel Institut, das im Bereich des autonomen Fahrens forscht, merkt an, dass der Insasse sich durch das Fahrassistenzsystem bevormundet fühlen könnte. Akustische oder taktile Warnsignale könnten dem Fahrer lästig fallen und so den Fahrspaß beeinträchtigen.
Zu einem anderen Schluss als Horx kommt die Gesellschaft für Konsumforschung. Eine Studie aus dem Jahr 2013 hat ergeben, dass Verbraucher in 25 Jahren von einem Auto hauptsächlich erwarten, dass es sicher ist, kostengünstig und nachhaltig. Der soziale Status und der Fahrspaß spielen im Vergleich nahezu keine Rolle: Sie sind als am unwichtigsten eingestuft.
Elektrisch unterwegs: E-Mobility
Der Elektromotor gewinnt an Bedeutung. Besonders die junge Generation zwischen 25 und 29 Jahren schätzt die Umweltfreundlichkeit von elektronisch betriebenen Fahrzeugen, wie Studien des Spiegel-Instituts ergeben haben.

Die Bundesregierung ordnet Elektromobilität als einen wichtigen Baustein der Energiewende ein und sieht vor, Deutschland künftig zum Leitmarkt und Leitanbieter für Elektromobilität auszubauen. Bis 2020 sollen eine Millionen Elektrofahrzeuge in Deutschland unterwegs sein. Zwar können sich heute rund 75% der vom Spiegel Institut befragten Konsumenten vorstellen, ein Elektrofahrzeug zu kaufen. Dass sie es am Ende doch nicht tun, liegt an den hohen Anschaffungskosten im Vergleich zu konventionell angetriebenen Fahrzeugen, an der (schlechten) Verfügbarkeit von Ladestationen und an der noch sehr geringen Reichweite. In einer Studie der International School of Management (ISM) sind es aus diesem Gründen weniger als 10% der Befragten (200 Personen aus NRW, 200 Personen aus dem gesamten, restlichen Bundesgebiet), die Elektrofahrzeugen den Vorzug geben.
Ein Regierungsprogramm der Bundesregierung zur Förderung der Elektromobilität
Das Förderprogramm „Regierungsprogramm Elektromobilität“ der Bundesregierung möchte die deutschlandweite Ladeinfrastruktur zwischen 2017 und 2020 verbessern, die Fördersumme beträgt 300 Millionen Euro. Im März 2015 wurde bereits ein Gesetz verabschiedet, das kostenlose Sonderparkflächen und die Mitbenutzung von Busspuren für Elektroautos einräumt. Weil diese allerdings auch von Taxen und Krankenwagen befahren werden, seien sie bereits ausgelastet, lautet die Kritik aus den Städten. Kostenloses Parken und zufahrtsbeschränkte Zonen oder Sonderspuren sind für die meisten Teilnehmer einer Studie des Marktforschungsinstituts GfK allerdings ohnehin kaum ein Anschaffungsgrund. Am wichtigsten sind den Teilnehmern laut GfK das umweltfreundliche Fahren und die geringen Verbrauchskosten.
Da allzu große Reichweiten mit aktuellen Modellen noch nicht bewältigt werden können und ein Mangel an Ladestationen besteht, eigne sich das Elektrofahrzeug derzeit eher als Zweitwagen – lautet eine der Schlussfolgerung der ISM-Studie.
Radfahren: Be- und Entschleunigung

Es tut sich also was auf den Straßen. Aber auch auf Radwegen läuft ein großer Teil des Verkehrs zunehmend elektrisch ab: Der E-Bike-Boom hält an, der Zweirad Industrie Verband (ZIV) vermeldet eine Umsatzsteigerung von immerhin 7%, obwohl der Absatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gleichzeitig um 6,9% gesunken ist. Zur Steigerung des Umsatzes kommt es, weil Verbraucher vermehrt E-Bikes kaufen – die in der Anschaffung mehr kosten als ein normales Rad ohne Elektromotor. Von 605.000 E-Bikes, die 2016 verkauft wurden, entfielen knapp über 15.000 auf Lastenräder mit elektrischem Antrieb. Damit hat das elektrische Lastenrad das elektrische Auto abgehängt, dessen Neuzulassungen nur bei 11.410 liegen.
Eine Fahrradvielfalt wie nie zuvor
Mountainbike, Hollandrad, Rennrad – das sind die üblichen Verdächtigen. Dazu kommen außerdem Trekking- und Tourenräder, Cruiser, Fixies, Fatbikes und viele mehr. Aus dem Transportmittel ist ein Lifestyle-Produkt geworden, emotional verbunden mit seinen Nutzern. Regionen und Kommunen haben diesen Trend längst erkannt und fördern die klimafreundliche und gesundheitsfördernde Mobilität auf dem Rad. Der Radschnellweg westliches Münsterland (RS2), ein Projekt der REGIONALE 2016, greift das Konzept eines Radschnellwegs als wesentlichen Bestandteil einer modernen Mobilitätskultur auf und möchte Isselburg mit dem 60 Kilometer entfernten Coesfeld über ehemalige Bahntrassen verbinden. Servicestationen entlang der Strecke verfügen über Toiletten, Ladestationen und Aufenthaltsräume. Angedacht sind auch Werkstätten von Fahrradmechanikern oder Reparaturmöglichkeiten nach dem Selbstbedienungsprinzip. Kurzum: Eine Fahrrad-Tankstelle mit allen Extras, wie wir sie heute bereits für Autos kennen.
Ein Radschnellweg zeichnet sich generell dadurch aus, dass er direkt geführt und gut ausgestattet ist. Er verbindet Wohn- und Gewerbegebiete mit Stadtzentren, um von Berufstätigen genutzt werden zu können. Derzeit hat Göttingen die Nase vorn – mit seinem eRadschnellweg gewann die Stadt den Deutschen Fahrradpreis 2016 in der Kategorie Infrastruktur. Im Oktober 2015 wurde dort ein vier Kilometer langer Radschnellweg freigegeben. Gleichzeitig hat die Universität Göttingen als Projektpartner damit begonnen, den Effekt von Pedelecs, die durch große Arbeitgeber verliehen werden, auf die Verkehrsmittelwahl der Berufspendler zu untersuchen und um letztlich Erkenntnisse zu erhalten, wie Arbeitnehmer an die Zweiradelektromobilität herangeführt werden können.
Der RS1: Europas längster Radschnellweg
Am 16. November 2016 hat der Planungsausschuss des Regionalverbandes Ruhr grünes Licht für das Vorhaben „RS1 als Innovationsband für eine integrierte Stadtentwicklung“ gegeben. Europas längster Radschnellweg soll die Metropolen des Ruhrgebiets auf einer Gesamtlänge von über 100 Kilometern miteinander verbinden. Eine konsequente Beleuchtung, Markierung der Fahrbahn und Servicestationen entlang der Strecke sollen eine alltagstaugliche, sichere Mobilität möglich machen. Derzeit schneidet NRW bei seinen Angeboten zu Rad- und Mountainbikestrecken gut bis sehr gut ab, wie die Gästebefragung „Qualitätsmonitor Deutschland-Tourismus“ ergab.
Bikesharing – öffentliche Fahrradverleihsysteme in der Stadt
In der Stadt sind Fahrräder oftmals die schnellste Variante, wenn die Straßen im Feierabendverkehr verstopft sind oder die Parkplatzsuche Stunden in Anspruch nimmt. Fahrräder stehen an unterschiedlichen Stellen in free-floating Systemen integriert zur Verfügung, die Anbieter sind etablierte Verkehrsträger wie die Deutsche Bahn oder die Kölner Verkehrs Betriebe (KVB) in Kooperation mit nextbike. In über 45 Städten, die sich auf 23 Länder verteilen, betreibt nextbike öffentliche Fahrradverleihsysteme, teilweise stationsbasiert und städteübergreifend wie im Falle des Metropolrads. Die Stationen funktionieren nach dem Selbstbedienungs-Prinzip, der Kunde muss sich nicht an Öffnungszeiten halten.
Ähnlich funktioniert auch das NiederrheinRad, das nach telefonischer oder online-Vorbestellung an einer von 40 Stationen am Niederrhein abgeholt und später wieder abgegeben werden kann.
Der ÖPNV und die Kommunen
Verkehrsverbünde und -unternehmen nehmen als etablierte Mobilitätsprofis eine verantwortungsvolle Rolle als Vernetzer ein. Sektorales Denken und Handeln bringe keine zukunftsfähigen Mobilitätsangebote hervor – es müsse daher überwunden werden, so Theo Janssen, Leiter der beim Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) angesiedelten Koordinierungsstelle Mobilitätsmanagement für das Rheinland und der Geschäftsstelle des Landesnetzwerkes „Zukunftsnetz Mobilität NRW“. Das Zukunftsnetz NRW möchte Kommunen auf dem Weg zu einer zukunftsfähigen Mobilitätsentwicklung unterstützen, denn das Beschreiten dieses Weges erfordert viele Schritte, wie das Spiegel Institut zusammenfasst: „Erfolgreich sind jene Kommunen, die technologische Innovationen nutzen, um beides unter einen Hut zu bringen: Elektrifizierung, Digitalisierung und neue Sharing-, Tarif- und Bezahlmodelle werden zu Mobilitäts- und Serviceangeboten verknüpft. Sie orientieren sich am Bedarf der Nutzer und ermöglichen ihnen flexible und intermodale Mobilität.
Mobilitätsstationen als Teil einer durchgängigen Mobilitätskette
Über sogenannte Mobilitätsstationen kann dies gelingen: Waren es zuvor große Park and Ride-Parkplätze an Bus- oder Bahnhaltestellen, an denen Autofahrer ihren PKW abstellen konnten, stellt die moderne Mobilitätsstation mehrere Verkehrsmittel zur Verfügung.
In NRW gibt es bereits solche Stationen, beispielsweise in Bielefeld. An der MoBiel Greenstation an der Haltestelle Seker befinden sich Bus- und Taxihaltestellen, Car- und Bikesharing-Angebote, Ladestationen für Elektroautos und E-Bikes, eine Flüssiggastankstelle und einen Kiosk. Energie wird über eine Photovoltaikanlage gewonnen.
Aufgebaut werden Mobilitätsstationen vor allem von den Kommunen, wichtigste Projektpartner sind die Verkehrsverbünde und Verkehrsunternehmen. Durch gemeinsame Planung und Realisierung kann der Nutzer zukünftig von durchgängigen Mobilitätsketten profitieren.
Wir lernen:
Es gibt sie, die Erkenntnisse, Ideen und Lösungsansätze für eine Mobilität, wie wir sie in Zukunft leben und erleben werden. Zum Teil werden sie von unterschiedlichen Branchen und Leistungsträgern umgesetzt und angenommen.
Im folgenden Kapitel blicken wir auf NRW und die Auseinandersetzung mit den Aufgaben, die die Mobilität von morgen an uns stellt.
Best Practice-Beispiele und EFRE-Förderprojekte aus NRW
Nicht nur in den vergangenen Jahren, sondern auch in laufenden Förderprojekten in NRW spielt Mobilität im Tourismus eine entscheidende Rolle. Darüber hinaus zeigen zahlreiche weitere Best Practice-Beispiele aus den nordrhein-westfälischen Regionen, wie sie dem Trend Mobilität begegnen. Gerade im Aktiv-Bereich entwickelt sich NRW besonders gut: Laut einer Studie des Qualitätsmonitors Deutschland-Tourismus 2013/2014 sind Urlaubsgäste aus dem In- und Ausland sowohl mit Spazier- und Wanderwegen als auch mit Rad- und Mountainbikestrecken in Nordrhein-Westfalen äußerst zufrieden.
Eine Auswahl an Projekten gibt einen Einblick über vergangene und aktuelle Vorhaben in NRW.
Für eilige Leser: Zusammenfassung in elf Thesen:
Langfassung als Download
Wer noch etwas mehr über das Thema Mobilität in der Tourismusbranche wissen möchte, findet hier eine Langfassung des Textes als pdf zum Download.
Stand: August 2017