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Digitalisierung im TourismusTrendmagazin Nr.1
Digitalisierung im TourismusDigitalisierung – das Thema fehlt derzeit auf kaum einer Fachtagung und das aus gutem Grund: Wir stecken mittendrin in einer neuen Revolution, die unsere Gesellschaft so tiefgreifend verändern wird wie einst die Industrialisierung – im beruflichen wie im privaten Bereich. In einigen Bereichen ist sie schon weit fortgeschritten und auch im Tourismus nimmt der digitale Wandel deutlich an Fahrt auf.
Dabei steht eines fest: Digitalisierung ist die Aufgabe eines gesamten Unternehmens, die von oben vorgelebt werden muss. Sie beschränkt sich nicht etwa auf das Marketing, die Kommunikation oder den Vertrieb. Traditionelle Arbeitsweisen und Strukturen müssen überdacht werden, um auf die Herausforderungen, aber auch die Chancen, die die Digitalisierung mit sich bringt, richtig reagieren zu können. Und das Wichtigste: Ausprobieren gehört zur digitalen Transformation unbedingt dazu und das bedeutet gegebenenfalls, auch einmal zu scheitern.
Wir wollen uns allerdings hier nicht mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf einen Betrieb und seine Abläufe beschäftigen, sondern Anregungen geben, wie touristische Unternehmen mithilfe digitaler Angebote den Service und das Erlebnis für Kunden verbessern können, denn Gästeorientierung ist der größte Vorteil im Wettbewerb.
In NRW gibt es schon viele überzeugende Beispiele aus großen Unternehmen oder auch kleineren Einrichtungen, die die Chancen des digitalen Wandels erkannt haben. Einige davon stellen wir vor, aber auch einen Blick über den Tellerrand in andere Destinationen und zum Teil auch Branchen haben wir geworfen und sind dabei ebenfalls auf interessante Ansätze gestoßen.

Geschäftsführerin Tourismus NRW, Dr. Heike Döll-König
Das Magazin im Überblick:
Digitalisierung erfasst die Tourismusbranche
Selbst in den meisten kleinen Betrieben in der Tourismusbranche hat der digitale Wandel bereits begonnen: Buchungen in Hotels und Reisebüros werden längst elektronisch verwaltet, Internet und E-Mail sind wohl aus kaum einem Betrieb mehr wegzudenken. Und auch auf Nutzerseite spielen digitale Medien eine herausragende Rolle: Alle Arten von Informationen werden online abgerufen, Reiseerlebnisse in sozialen Netzwerken geteilt und auf Online-Portalen bewertet. Trotzdem zählten Tourismusbetriebe, und hier insbesondere das Gastgewerbe, derzeit zu den Schlusslichtern der digitalen Transformation, moniert das Sparkassen-Tourismusbarometer Westfalen-Lippe.
Neun von zehn Buchungen werden online recherchiert
Wie wichtig die digitale Verfügbarkeit jedoch gerade für die Tourismusbranche ist, zeigt die Studie „The mobile Traveller“, die Google, TUI Deutschland und die Marktforschungsinstitute TNS und GfK im Juni 2016 vorgelegt haben.
Demnach werden neun von zehn Buchungen mindestens zu einem Zeitpunkt online recherchiert, fünf von zehn Buchungen dabei per Smartphone. Insbesondere in der Inspirationsphase wird das Internet stark genutzt.
Laut Google-Studie lassen sich Nutzer acht bis neun Stunden lang im Netz inspirieren, bevor sie tatsächlich buchen.
Der Reiseanalyse 2016 der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen zufolge sind Destinationswebsites dabei die beliebteste Online-Inspirations- und –Informationsquelle der Deutschen.
Aber auch der Buchungsvorgang an sich wird immer mehr ins Internet verlagert: 50 Prozent der Urlaube insgesamt und 32 Prozent der Pauschalreisen werden inzwischen online gebucht. Das bedeutet: Wer heute ein Hotelzimmer oder gar einen ganzen Urlaub verkaufen will, muss dem Kunden eine Online-Buchungsmöglichkeit bieten.
Digitalisierung wird nicht vorübergehen
Viele Tourismusorganisationen und -betriebe haben den Bedarf an digitalen Angeboten durchaus erkannt, verfügen laut Sparkassen-Tourismusbarometer derzeit aber nicht über die passenden Strukturen, um die Potenziale der Digitalisierung auch zu nutzen. Deshalb die Hände in den Schoß zu legen und darauf zu hoffen, dass der digitale Wandel schon irgendwann vorbeigehen wird, ist jedoch keine Option. Das Tourismusbarometer rät daher dazu, alle Arbeitsweisen und Strukturen im Unternehmen kritisch zu überdenken und neue Prioritäten zu setzen.
Dies ist unter anderem nötig, wenn man über mögliche Touch Points mit Kunden nachdenkt. Klar ist:
Die Kunden müssen dort abgeholt werden, wo sie sind, und das wird durch die Digitalisierung nicht einfacher.
Denn immer wieder tauchen am Markt neue Player auf, etwa neue Vertriebsplattformen, soziale Netzwerke, Messaging Dienste oder andere Tools, die bei Kunden schnell an Popularität gewinnen.
Die Zahl möglicher Touch Points vergrößert sich also ständig. Wer aber als Unternehmen an einem wichtigen Touch Point fehlt, läuft Gefahr, in der digitalen und damit auch immer stärker realen Bedeutungslosigkeit zu verschwinden.
Da die Ressourcen im Unternehmen nicht unendlich sind, bedeutet dies zwangsläufig auch, früher erfolgreiche Kanäle von Zeit zu Zeit auf den Prüfstand zu stellen und die Augen und den Geist für neue Möglichkeiten offen zu halten.
Übrigens hat das sich ändernde Nutzerverhalten auch Auswirkungen auf die eigene Unternehmenswebsite: 2015 lag der mobile Internetkonsum laut Media Consumption Forecast der Marktforschungsagentur Zenith erstmals über der Desktop-Nutzung. Für Unternehmen bedeutet dies, eine mobil-optimierte Internetseite ist inzwischen unverzichtbar.

Partnerschaft als Schlüssel zum Erfolg
Um die Vorteile der Digitalisierung gerade auch mit kleinerem Budget ausschöpfen zu können, sind Kooperationen über die gesamte Customer Journey hinweg unerlässlich. Hierfür müssen sich Partner auf verschiedenen Ebenen – vom Land über die Region bis zum Leistungsträger – zusammentun, um ineinandergreifende Angebote zu kreieren, bei denen der eine Player den Gast an den nächsten Player weiterreicht.
Das Sparkassen-Tourismusbarometer fordert von der Tourismusbranche zudem, sich auch neuen branchenfremden digitalen Anbietern nicht zu verschließen, sondern vielmehr nach Möglichkeiten zu suchen, sich ihr Angebot zu Nutze zu machen.
Ein Beispiel sind die bei Hoteliers und anderen Anbietern meist ungeliebten Buchungsportale, die oft hohe Provisionen verlangen. Sie bieten jedoch einen entscheidenden Vorteil: Während die Sichtbarkeit der eigenen Website meist eng begrenzt ist, verfügen externe Buchungsportale oder Reservierungsplattformen über einen hohen Bekanntheitsgrad und die damit verbundene große Reichweite, die es zu nutzen gilt.
Google als Herausforderer der Reisebranche
Neben Buchungsportalen ist es vor allem der digitale Riese Google, der die Reisebranche zunehmend vor Herausforderungen stellt. Als selbsterklärtes Ziel hat der Internetgigant ausgegeben, Internetnutzer auf ihrer gesamten Reise zu begleiten – also von der ersten Inspiration bis zum Rückblick auf die Reise und dem Teilen der Erfahrungen.
Einen großen Schritt in die Richtung hat das Unternehmen im Frühjahr 2016 unternommen. Pünktlich zur ITB stellte Google seine Smartphone-Reisesuche „Destinations“ auch auf Deutsch vor. Die neue Funktion ist auf iOS- und Android-Smartphones über die Google-App oder die Google-Suche im mobilen Browser abrufbar. Daneben gibt es auch eine neue App von Google mit dem Namen „Trips“. Beide Angebote bündeln im Internet verfügbare Bilder und Informationen und ergänzen sie durch eigene Inhalte. Während „Destinations“ bei der Urlaubsplanung unterstützt, soll „Trips“ Reisenden unterwegs assistieren, etwa beim Flughafentransfer oder mit Infos zu Sehenswürdigkeiten oder Restaurantstipps.
Trend: Virtual Reality
Ein relativ neuer Trend, der Experten zufolge jedoch ebenfalls das Potenzial hat, die gesamte Reisebranche umzuwälzen, ist die sogenannte virtuelle Realität. Große Firmen wie Google, Facebook oder Samsung setzen schon voll auf ihren Siegeszug und bringen sogenannte VR-Brillen auf den Markt, mit deren Hilfe sich Nutzer in eine andere Welt versetzen lassen können.
So kann man schon heute viele Hotels, Restaurants oder auch Tagungsstätten bereits vor der Buchung mit der Brille auf der Nase virtuell erkunden. Doch trotz aller technischen Möglichkeiten gilt:
Im Fokus sollte niemals die Umsetzung einer neuen Technologie stehen.
Vielmehr sollte die Digitalisierung Beschäftigten in der Tourismusbranche die Arbeit erleichtern und Gästen einen verbesserten Service bieten. In Unternehmen sollten dadurch neue Räume für neue Ideen entstehen, die wiederum einen Innovations- und damit Wettbewerbsvorsprung sichern können.
Das Fazit lautet daher: Man sollte die Augen offenhalten, neue Entwicklungen beobachten und prüfen, welche für das eigene Unternehmen geeignet sind oder welche man gar nutzen muss, um nicht abgehängt zu werden. Dabei wird die Digitalisierung sicherlich nicht in ein paar Jahren abgeschlossen, sondern vielmehr ein fortdauernder Prozess sein, in dem nur jene Unternehmen erfolgreich sind, die es schaffen, sich an sich ändernde Begebenheiten anzupassen und die neuen Möglichkeiten bestmöglich für sich zu nutzen.
Und noch einen Rat gibt Wolfgang Gründinger, Referent Digitale Transformation beim Bundesverband digitale Wirtschaft Unternehmen in einem Gastkommentar in der fvw im Januar 2016 mit auf den Weg: Unternehmen sollten sich nie in Sicherheit wiegen, dass das eigene Produkt niemals digitalisiert werden könne. Das hätten andere auch schon gedacht, bevor sie dann überrollt worden seien.
So stellt sich Tourismus NRW digital auf
Tourismus NRW nutzt die Vorteile der neuen digitalen Welt bereits in verschiedenen Bereichen. Unter anderem setzt der Verband auf eine 360-Grad- beziehungsweise Multichannel-Kommunikation, in der die Botschaften passgenau über unterschiedliche Kanäle wie soziale Netzwerke, Internetseiten oder Newsletter verbreitet werden. Dabei testet der Verband auch immer wieder neue Kanäle und Möglichkeiten, um Endkunden, aber auch Touristiker zu erreichen oder andersherum ihnen eine neue Möglichkeit zur Kontaktaufnahme zu bieten.
Um dem anonymen Verband auch ein Gesicht nach außen zu verleihen, setzt Tourismus NRW zudem auf sein Social-Media-Format #DeinNRW live, bei dem Mitarbeiter des Verbands regelmäßig in unterschiedlichen Regionen unterwegs sind und in den sozialen Netzwerken darüber berichten. Um den dabei entstandenen Content langfristig verfügbar zu machen, entstehen aus Posts, Tweets und weitergehenden Informationen sogenannte Storify-Geschichten, die auf der B2C-Internetseite eingebunden werden.

Auch den Content von NRW-Fans nutzt Tourismus NRW auf seiner Internetseite. Der sogenannte User Generated Content wird in einer Social Wall zusammengefasst, die ebenfalls auf der B2C-Seite zu finden ist. Ebenso sind auf der Seite Blogger-Geschichten über Nordrhein-Westfalen verlinkt. 2016 gibt es zudem eine Kooperation mit der Bloggerin vielweib, die mit ihren Kurztipps, die exklusiv auf der Seite des Tourismus NRW zu finden sind, zu Kurzreisen anregt.
Ein besonderes digitales Erlebnis sind auch die 360-Grad-Panoramen auf der Internetseite des Verbands. Mithilfe der Bilder, die die fünf Unesco-Welterbestätten in NRW zeigen, lassen sich die Kulturdenkmäler virtuell erkunden.
Die gesamte Online-B2C-Kommunikation im Verband basiert auf einer digitalen Strategie, die 2014 entworfen wurde und kontinuierlich weiterentwickelt wird.
Anlass hierfür war der Relaunch der Seite dein-nrw.de, die seit 2015 die Inhalte verschiedener Portale bündelt und responsive gestaltet ist, also sowohl auf dem Desktop als auch auf mobilen Geräten wie Smartphones oder Tablets optimal dargestellt wird. Damit reagiert der Verband auf das sich verändernde Surfverhalten von Nutzern.
Die digitale Strategie bezieht sich jedoch nicht nur auf die nach außen sichtbare Internetseite, sondern auch auf die damit verbundene interne Organisation: Die digitale B2C-Kommunikation wird als Querschnittsaufgabe des gesamten Verbands gesehen. Um alle auf dem gleichen Wissensstand zu halten, nutzt der Verband diverse Co-Working-Tools wie Google Drive oder Wunderlist, in denen mehrere Nutzer gleichzeitig arbeiten können und in Echtzeit den aktuellen Stand einer Aufgabe oder eines Projekts erkennen können.
Digitale Best-Practice-Beispiele aus Nordrhein-Westfalen
Egal ob große Forschungsprojekte oder vergleichsweise einfache Ideen – in der nordrhein-westfälischen Tourismusbranche werden die Möglichkeiten der Digitalisierung vielfältig genutzt.
Blick über den Tellerrand: Digitale Vorreiter als Ideengeber
Gute Ideen gibt es natürlich nicht nur in NRW. Daher lohnt sich durchaus auch mal ein Blick über den Tellerrand – in andere Regionen, aber auch in große Unternehmen. Denn grade die Konzerne sind aufgrund ihrer weitaus größeren Ressourcen meist deutlich weiter in der Entwicklung als kleine Unternehmen, wie sie die Tourismuswirtschaft in NRW prägen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich nicht auch kleinere Betriebe von großen Ideen inspirieren lassen können.
Blick in die Zukunft: Digitale Szenarien
Laut einer Bitkom-Studie gehen 71 Prozent der befragten Experten davon aus, dass 2025 die gesamte Customer Journey digital abgewickelt wird. Ein Hellseher muss man hierfür nicht sein, schließlich ist dies in weiten Teilen schon heute Realität – das zeigen nicht zuletzt die vielen vorgestellten Beispiele. Die InterContinental Hotels & Resorts haben sich jedoch „Tophotel“ zufolge gemeinsam mit der renommierten amerikanischen Zukunftsforscherin Faith Popcorn gefragt, wie wir in 70 Jahren reisen könnten.
Popcorn geht demnach davon aus, dass wir künftig auch virtuell viele Reisen unternehmen werden. Abenteuer könnten etwa dank Virtual Reality erlebnisreich mit den Daheimgebliebenen geteilt werden und auch besonders extreme Erlebnisse wie eine Tour durch die Wildnis oder Klettern an gefährlichen Klippen seien vom sicheren Sofa aus problemlos möglich, genauso wie Zeitreisen in Form von Spaziergängen durch historische Kulisse.

Zu einer weiteren Zukunftsvision inspirieren Popcorn die Auswertung von Kundendaten und 3D-Drucker: Sie kann sich vorstellen, dass luxuriöse Hotels in Zukunft mit Modemarken kooperieren und anhand von Online-Shopping-Gewohnheiten und lokaler Wetterlage schon Kleidung für ihre Gäste aussuchen, sie ausdrucken und in den Kleiderschrank hängen werden, bevor diese überhaupt eingecheckt haben. Kofferpacken würde damit der Vergangenheit angehören.
Die eine oder andere Vision für 2086 wird sicherlich sogar schon deutlich früher zur Realität werden. Die Möglichkeit, Momente an verschiedenen Orten der Erde in Echtzeit und erst Recht zeitversetzt erlebnisreich miteinander zu teilen, wird es sicherlich auch für Gäste schon bald geben. Unternehmen testen schon längst, was dank virtueller Realität möglich ist.
Big Data, Social Media und Sharing Economy
Laut Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder sorgt aber nicht nur Virtual Reality für Umwälzungen in der Reisebranche, sondern auch Big-Data-Technologien, Social Media und neue Plattformen.
So wird es laut Bitkom-Befragung 2025 verbreitet sein, dass Reisen mithilfe von Big-Data-Analysen persönlich auf die Gäste zugeschnitten werden.
97 Prozent der befragten Geschäftsführer und Vorstände in Touristikunternehmen vertraten diese Ansicht.
Auch der Trend zum Teilen (Sharing Economy) wird sich den Befragten zufolge fortsetzen. 55 Prozent gehen davon aus, dass sich Gäste zu Reisegemeinschaften zusammenschließen werden, um von Vergünstigungen zu profitieren.
Für eilige Leser: Zusammenfassung in sieben Thesen
Langfassung als Download
Wer noch etwas mehr über das Thema Digitalisierung in der Tourismusbranche wissen möchte, findet hier eine Langfassung des Textes als pdf zum Download. In dem reinen Text-Dokument finden sich neben zusätzlichen Studienergebnissen auch viele weitere Anwendungsbeispiele.
Unser nächstes Trendthema
Nach der Digitalisierung thematisiert das Trendmagazin beim nächsten Mal das Thema Tourismus und Mobilität in unterschiedlichen Facetten und wieder mit zahlreichen Beispielen.
Stand: Oktober 2016